Dienstag, 4. Dezember 2012

Ahleuchatistas - Heads Full of Poison (Cuneiform)


Drei Jahre sind ins Land gezogen, seit Ahleuchatistas mit ihrem Meisterwerk Of the Body Prone aufhorchen ließen – eigentlich keine gar so lange Zeitspanne, möchte man meinen. Doch im Mikrokosmos dieser Band scheinen die Uhren schneller als anderswo zu ticken – vielleicht ein Mitgrund für die hochkomprimierte Musik ihrer frühen Alben? – denn seitdem hat sich einiges getan: Ausstieg von Bassist und Gründungsmitglied Derek Poteat, Neuerfindung und rege Touraktivität als Duo, ein selbstveröffentlichtes Album, und nun die Rückkehr auf das Cuneiform Label mit Heads Full of Poison.

Ist nun die stilistische Kurskorrektur, die hier zur Geltung kommt (die aber sicher nicht völlig überraschend kommt, wenn man die Entwicklung der Band über die Jahre verfolgt hat), bloß der Verkleinerung der Band geschuldet oder liegt ihr eine bewusste Entscheidung zugrunde? Müßig, darüber zu spekulieren; Jedenfalls erscheint diese Richtungsänderung nach einem Album wie Of the Body Prone nahezu zwingend – nach einem Album, das auf seinem Terrain kaum mehr zu überbieten sein dürfte. Genau genommen treibt die Band ihren Sound auf Heads Full of Poison sogar in zwei Richtungen voran: Einerseits „weitet“ das Duo seine Songs, gestaltet sie geräumiger, lässt mehr „Luft zum Atmen“, mehr Raum für die Imagination des Publikums – Lighted Stairs mag hier als Platzhalter für die allgemeine Tendenz einstehen. Andererseits öffnen sich die beiden Musiker hörbar gegenüber Einflüssen, deren Quellgebiet außerhalb des relativ engen Avant-Prog/Math-Rock Gesichtskreises liegt: Fernöstliche Musik, Bluegrass (A Trap Has Been Set), klassische Gitarre, Sahara-„Blues“ und einiges mehr.
Beides konvergiert im 16-minütigen Herz- und Titelstück des Albums: Im Unterschied zur „Computermusik“ ihrer Frühzeit – hochkomprimierte „Datenpakete“, wie geschaffen für die Auswertung durch einen superschnellen Rechner – anerkennt die Band hier die ästhetischen Bedürfnisse menschlicher Ohren, indem sie Wiederholungen, Auslassungen, Akzentuierungen in bisher ungekanntem Ausmaß zulässt. In die so entstandenen Lücken können dann neue Einflüsse eindringen, was in diesem Fall und für diese ungebildeten Ohren irgendwie nach China klingt. Nicht unterschlagen darf man ferner Requiem For The Sea: Was mit glitzernden Gitarren beginnt – als stünden wir an Deck eines Schiffes und spürten den feinen Sprühregen auf der Haut – gerät zusehends ins Stocken und endet in einer Wehklage; Fast unweigerlich denkt man an die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, fast unweigerlich fragt man sich: Was für eine Welt ist das eigentlich, in der man auf den Gedanken verfallen kann, ein Requiem für das Meer zu schreiben? Da sage noch einer, Instrumentalmusik wäre politisch nicht relevant.
Die Band verdient rückhaltloses Lob für ihre Neugierde, für ihre Entschlossenheit, die altbekannten Prog-Gefilde hinter sich zu lassen und zu neuen Ufern aufzubrechen – eine derart ausgeprägte Neigung zum Eklektizismus kennt man, da ist dem Label recht zu geben,  ansonsten fast nur von Tortoise oder den Sun City Girls (bzw. „Sir“ Richard Bishop). Allerdings ist es wohl auch nicht ratsam, hier mit Superlativen anzurücken, denn das nächste Album von Ahleuchatistas wird diese zweifellos rückwirkend relativieren…..

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